Ich sitze am Computer, Skype mit Stephano und erfreue mic über geisteserweiternde Telefonate. Er zeigt mir ein Foto einer seiner Freunde und mir kommt das Bild der Dame sehr ähnlich vor. Veträumter Blick, glatte braune Haare, frecher Spitzenschnitt, hübsches Gesicht, Bäume und Natur im Hintergrund. Das sah aus wie Kristin!

Es ist eine Weile her, als ich sie kennen lernte. Es war Dezember 2007. Weihnachten war bereits vorbei und das größte Jahr meines bisherigen Lebens – 2008 – stand kurz bevor. Ludwigsfelde lag zu dem Zeitpunkt in weiter Ferne, da ich Weihnachten mit meinen Eltern und meiner Schwester in Niedersachsen verbrachte. Viel los war nicht an dem einen Freitag Abend und ich entschied mich dafür, mal Feiern zu gehen. Abends weggehen in einen Tanzpalast. Meine Norddeutschen Freunden empfahlen mir das „Tatöff“, War nen bissl entfernt, aber dort fährt ja ein Bus hin, der die Dorfkinder immer einsammelt und auch wieder nach Hause bringt. Das ist ein Service der Diskothek. Ich habe mal wieder alles sehr genau geplant und als ich geade 22.17 Uhr zur Bushaltestelle lief sah ich den Bus bereits durchfahren, der für 22.20 Uhr geplant war. Mein Dad war dann so gütig mich zu dieser Diskothek zu fahren. Danke an dieser Stelle nochmal für deine unermüdlichen Fahrdienste!

In der Disko gab es vier Dancefloors. Schlager, Techno, RnB und ROCK! Der Rockfloor war genial! Umgeben von einem Käfig konnte man sich vergnüglich sämtlichen Pogofreuden hingeben. Auf dem Geländer des Pogokäfigs saß ein Mädchen. Große braune Augen, Frisur zweigeteilt in Dreadlocks am Hinterkopf und geglättete schöne Haare als Pony, alternativer Look. Ich fragte sie, ob sie tanzen wolle und so kamen wir ins Gespräch. Sie war 20 und studierte Umweltwissenschaften am Max Planck Institut in der Nähe. Wir tranken etwas zusammen, tanzten und genossen den Abend. Draußen war es kalt und ihre Freunde sind schon gefahren, also bot ich ihr an im Gästezimmer im Haus meiner Schwester zu nächtigen. Wir fuhren mit dem gleichen Bummelbus nach Hause, der mich bei der Hinfahrt schonmal passierte. Sie war wirklich süß! Ich liebte ihre Haare und besonders die Augen! Wunderschön geformt, klare Lidstriche, groß und braun! Was will man mehr :) . Sie schlief im Bus an meiner Schulter und ich bemühte mich zunehmend nicht einzuschlafen, um die Haltestelle nicht zu verpassen. Irgendwann irgendwo im Dunkeln ließ uns dann der Busfahrer heraus. Es war so unglaublich dunkel! Man sah nichts! Absolut NICHTS! Glücklicherweise hatte ja mein Mobiltelefon eine Taschenlampenfunktion, mit derer wir uns dann nach Hause lotsen konnten. Zuhause angekommen wollten wir nur noch eins: Schlafen! Wir schliefen nebeneinander ein. Sie war so süß!




Am nächsten Morgen kamen wir die Treppe hinunter in den Wohnbereich, wo meine Familie gerade am Frühstücken war. Meine Mo war ja nicht begeistert das weiß ich noch. Lags an ihren Haaren? Ihrem alternativen Kleidungsstil, der gleichzeitig auch ihre Lebenseinstellung symbolisierte? Oder ihre Schüchternheit? Ich weiß nicht was es war, denke aber dass meine Mo der kleine ruhig nen fairen ersten Eindruck hätte geben sollen.

Meine Schwester fuhr dann mit ihr und mir nach Ahrenswolde. War nen gutes Stück weg. Wir tauschten Mobilnummern aus und dort trennten sich unsere Wege. Es sollte das letzte Mal gewesen sein. Wir schrieben uns bei StudiVZ ein paar mal, unterhielten uns im ICQ, doch nach gut einer Woche legte sich die Euphorie schnell wieder.

Als ich nun das Bild so sehe, denke ich sofort wieder an Kristin. Frage mich wo sie derzeit ist, was sie macht, und ob es ihr gut geht.

Ich schaue bei StudiVZ nach, doch dort ist sie nichtmehr angemeldet und auch im ICQ ist sie nicht online.

Eine kurze Eingabe bei Google lässt mich kurz erstarren. Fassungslosigkeit macht sich breit. Das erste Suchergebnis verlinkt auf eine Seite zur Lösung von Kriminalfällen. Ich klicke drauf und lese.

Nach kurzem Überfliegen weiß ich: Ich werde sie erst in sehr langer Zeit nochmal wiedersehen.
Kristin wurde bereits im November letzten Jahres im Alter von 21 Jahren Opfer eines Gewaltverbrechens mit tödlichem Ausgang nachdem sie Nachts die Disko mit einem fremden Typen verließ. Der Typ ist gefasst. Sie bringt es aber nicht zurück!

In dem Moment wurde mir das erste mal deutlich, wie spontan Menschen aus dem Leben verschwinden können. Ich selbst wurde glücklicherweise noch nicht damit konfrontiert einen Freund zu verlieren. Ja, bis zum heutigen Tag.

Ich versuche das ganze in meinem Kopf zu ordnen. Schaue mir Bilder von ihr an, die auf damals auf ihrer StudiVZ-Seite waren, erkundige mich im Internet, was in dieser Nacht vor sich ging und lese mir auch immer und immer wieder unsere alten Chat-Logs bei ICQ durch.

Wir sprachen über griechische Füße und das die Oberfläche des Blumenkohls und von Küsten eigentlich unendlich groß ist, umso mehr man ins Detail geht. Wir versuchten uns via des IDosers in einen Trance-Ähnlichen Zustand zu versetzen.

Es wurde mal wieder Zeit. Seit meiner Ankunft in Australien hatte ich das Ding nichtmehr verwendet. Idoser regt durch spezielle Frequenzüberlagerungen bestimmte Bereiche im Gehirn an und kann somit verschiedene Gefühle und Reaktionen hervorrufen. Laut Hersteller soll es auch einen trance- bzw. rauschähnlichen Zustand herbeiführen können.

Das Programm ist wirklich gut, sich gedanklich für die Dauer einer Sitzung von der Außenwelt zu isolieren und nur das zu sehen, was in dem eigenen Kopf vorgeht. So nutze ich heute Abend dazu den Abend unserer ersten Begegnung bis ins kleinste Detail im Kopf zu wiederholen. Ich wähle den Zustand „Marihuana“ und hoffe auf eine beruhigende Wirkung. 45 Minuten später bin ich noch immer her meiner Sinne – dafür jedoch um ein vielfaches Reicher an lebhaften Bildern des damaligen Abends!

Ich höre Jason Mraz. Eines seiner frühen Alben von 2001. Es sind Live-Aufnahmen vom Java Joes. Man merkt es: Die Liebe zur Musik, die Liebe zur Balance und dem Tanz auf Tönen und Takten einfach, dass er seinen Traum lebt. Darum geht es doch im Leben.

Zähneputzen und Vaseline auftragen – die beiden einzigen Dinge die ich heute noch machen werde. Und nun hoffe ich auf einen heilsamen und erholsamen Schlaf! Vielleicht besucht mich ja jemand aus einer anderen Dimension in meinem Traum und redet mit mir über Griechische Füße.

Alles Liebe – Besonders an Kristin

Das Klavier gehört gestimmt! Das wusste ich schon zwei Wochen nach dem ich das Klavier zum ersten Mal gestimmt hatte – und das war vor gut 4 Monaten. Es ist nämlich ein sehr altes launisches Klavier und wollte einfach die Sitmmung nicht behalten.
Also heute nochmal Technik aufbauen. Mikroständer, Mikro, USB-Soundkarte, Laptop.
Die ersten 10 Minuten verbrachte ich damit, festzustellen, dass mein neu gekauftes XLR-Kabel irgendwie einen Wackelkontakt hat. Ich weiß nicht warum, aber ich konnte es beim besten Willen dem Mikrofon mit dieser Leitung absolut keinen Ton entlocken bzw. keinen Ton hineinbekommen.

Nach dem Tausch des Kabels geht es dann doch Beschwerdefrei und das Ganze kann starten. Von den tiefen Oktaven arbeite ich mich langsam nach oben. Wie beim ersten Mal gestalten sich die oberen Töne als besonders schwierig, weil sie immer wieder die Stimmung verlieren. Gegen Ende kämpft dann Saitenspannung gegen die Spannung meiner Nerven. Aber ich gewinne :D .

Ergbnis: Ein gut gestimmtes Klavier, was nun auch wieder gebrauchsfähig ist und Bligh kann sicher wieder an „Für Elise“ und „Mondscheinsonate“ ausleben ;) .

Oh man das war ne Nacht! Morgens wälze ich mich eigentlich nur noch im Bett rum, weil meine Nasengänge alles andere als frei sind. Woran liegt es wohl? Ist es die uralte, unergonomischer Matratze, die eine riesige Milbenkolonie beinhaltet? Das offene Fenster an meinem Kopfende? Ich tippe auf etwas ganz anderes: Den Sojakonsum der letzten Tage .

Mein Körper reagiert unglaublich sensibel auf ungesunde Nahrungsmittel, besonders von denen ich in kurzer Zeit besonders viel zu mir nehme. Bereits Paracelsius erkannte: „Die Dosis macht das Gift“ und hier ist mein Soja-Tofu-Giftplan der letzten Woche:

Freitag: Gemüse und Tofu beim Thai
Samstag: bei Basil Tofu genascht und Sojamilch getrunken
Sonntag: Tofu + Sojamilch, Abends Green Cury mit Tofu Stückchen
Montag: Green Curry Reste mit Tofustücken
Dienstag: Reste des Green Currys, Am Abend Schokolade mit Emulgatoren (Soja)
Mittwoch: Zum Mittag Tofu beim Thai, später Tafel Schokolade mit Emulgatoren
Donnerstag: ich senke den Bedarf auf Sojasauce

So… nun sitze ich hier. Total paranoid vor jeglichem Sojaprodukt für die nächsten Tage. Habe sogar eben vor meinem Müslikonsum alle der drei Müslisammlungen auf Sojainhalte untersucht. Glücklicherweise keine direkten Inhaltsstoffe. Nur die Warnung vor vermeintlichen Produktionsstätten, die das Soja verarbeiten würden. Aber selbst 5 untergeschummelte Gramm durch die Produktionsstätte wären genauso schwer, wie ein Würfel der 120 Würfel, die ich für das Green Curry verwendet habe!

Mein Körper schreit nach Reinigung und Zuwendung. Nur gut, dass ich gestern Im Paddy’s Market war und eine riesige Ladung Obst und Gemüse gekauft habe! Aber auch zwei Packungen der Soja würfel… mal schauen, was jetzt damit passiert!

Neben dem Frühstück hab ich mir gerade auch noch nen leckeren Entgiftungstee gemacht. Ab jetzt geht’s bergauf :) .

Es ist Abends. Eine wunderbare kleine Performance vom Sandrigam Hotel hallt gerade nach, während draußen der Regen die Stille der Nacht durchdringt.

Es wird mir immer bewusster. Von Tag zu Tag denke ich mehr an die schöne Zeit hier in Newtown zurück. Nun sind es gerade mal noch 18 Tage bis ich Newtown erstmal „Lebe wohl“ sagen muss.

Ich will doch aber gar nicht :( . Können denn nicht alle Menschen, die ich so gerne habe einfach mit hierherkommen? Kann nicht wenigstens ein Ort in Deutschland so wie Newtown sein? Warum nicht die ganze Welt?

Glückliche, fröhliche Menschen. Sorgenfreie Menschen. Menschen ohne die ganzen unzähligen Belastungen des Alltags. Ein Ort, wo man Straßenmusik würdigt. Wo jede Art von Kunst und Kultur gesellschaftliche Akzeptanz erfährt. Wo es egal ist, ob du Homosexuell, Bisexuell, Heterosexuell, Asexuell, Vegetarisch, Vegan, Asiate, Afrikaner oder Europäer bist. Ob du Dreadlocks trägst, oder gar keine Haare. Ob du nun ein kleines Tattoo hast oder dir im ganzen Gesicht die Piercings hängen. Du bist hier in Newtown und du bist ein Teil der Gesellschaft – der Community!

Du bist gerade aufgestanden, du siehst aus, wie ein Schluck Wasser, deine Haare sind zerzaust? Dann geh einkaufen! Genau so! Am besten Barfuß! Und keinen wird es stören, denn es gehört dazu ein wenig verrückt zu sein auf diesem kleinen Fleck auf der Welt.

Newtown, ich glaube ich hab mich in dich verliebt. Auch wenn ich dich und deine tollen Bewohner bald verlassen muss, so komme ich bald zu dir zurück!

Bis zum abschließenden „Lebewohl“ sind es aber noch ein paar Tage und du wirst mich noch drei Mal auf deiner King St singen und tanzen sehen :) .

Ich bin bei dir, ein Teil von dir.


Dein Julien


 

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